Vor 17 Jahren bat der Neumarkter Gabriel Müller die landesweit bekannte ORF-Grande Dame und Bestsellerautorin Chris Lohner um Unterstützung für den unerbittlichen Kampf gegen Armutsblindheit in Afrika. Eine lange Freundschaft mit wachsender Hilfe für blinde und behinderte Menschen begleitete die beiden auf ihrem Weg nach Mosambik. Zum Welttag des Augenlichts am 12. Oktober 2017 hier ein aktueller Lokalaugenschein im Zeichen von Licht für die Welt.
Seit Jahrzehnten ist Chris Lohner den Menschen in Österreich bekannt, stets mit ihrem gewinnenden Lächeln und der mit Henna rot gefärbten Pagenfrisur als Markenzeichen ihrer selbst. Die ehemalige ORF-Moderatorin ist uns in allen ÖBB-Zügen via Lautsprecheransagen im Ohr und überzeugt als Bestsellerautorin mit Lebensratgebern und Romanen. Aber was ihrem Herzen am nächsten ist, liegt fernab, in entlegenen Regionen Afrikas, wo blinde Menschen ihr Dasein fristen, obwohl Hilfe so einfach möglich wäre. Ihr Engagement hat einen sehr persönlichen Grund, wie Chris Lohner nimmermüde erklärt: „Ich bin selber an beiden Augen am Grauen Star operiert. Wäre ich in Afrika geboren, ich wäre bereits seit Jahrzehnten blind oder würde nicht mehr leben!“ Rastlos und ehrenamtlich setzt sich Chris Lohner als Goodwill-Ambassador der österreichischen Hilfsorganisation ‚Licht für die Welt‘ für die Millionen blinden Menschen in Afrika ein, die aufgrund von Grauem Star ihr Augenlicht verloren haben. „Jeder zweite blinde Mensch in Afrika leidet an dieser Linsentrübung. Aber was mich nicht ruhen lässt: Jeder am Grauen Star erblindete Mensch kann mittels einer 15-minütigen Augenoperation um durchschnittlich 30 Euro das Augenlicht zurückerlangen, oft nach jahrelanger Blindheit!“ – so Chris Lohner im Angesicht der aktuellen Hilfsprojekte in Mosambik. Hierher hat sie einmal mehr der gebürtige Weiberner Gabriel Müller geführt, auf dessen Bitte vor 17 Jahren Chris Lohners Engagement bei Licht für die Welt zurückgeht. Gemeinsam haben sie die Finanzierung ganzer Augenkliniken erwirkt und stets eines nicht vergessen: Dass es um jeden einzelnen Patienten und sein Schicksal geht.
In Mosambik ist dies soeben die 72-jährige Ines Iomo Joao, die blind vor ihrer kargen Lehmhütte im Dorf Vintcint sitzt. In sich gesunken und mit ihrem schweren Los der Blindheit kämpfend erzählt sie Chris Lohner und Gabriel Müller, wie ihre Augen über Jahre immer trüber wurden, bis sie vor einigen Monaten dann gar nicht mehr sehen konnte. An ihrer Seite sitzt ihre Tochter Luisa (48), die seither alles in ihrer Kraft stehende tut, um ihrer Mutter ein menschenwürdiges Weiterleben zu ermöglichen. Doch es regiert der Hunger, die Felder müssen bestellt werden und die Pflege eines blinden Menschen bindet Kräfte. Ein etwas ungläubiger Blick mit freundlichem Lächeln huscht über das Gesicht von Luisa, als Chris Lohner erklärt, sie würden nun gemeinsam in die Augenklinik fahren, um noch heute Ines´ Augen zu heilen. Wenig später sitzt die so bunte Gruppe aus Helfern und Patienten im Licht für die Welt-Geländewagen am Weg zum Augenzentrum in Beira, der Hauptstadt der Provinz Sofala. Der erfahrene einheimische Augenarzt, Dr. Abel Polaze, operiert bereits seit den frühen Morgenstunden, bittet Ines jedoch kurz nach Sonnenuntergang noch in den Operationssaal. Kurze Anästhesie rund um beide Augen, dann rein in sterile Gewänder und direkt auf den Operationstisch. Nur das jeweils zu operierende Auge liegt frei, der Rest des Gesichts ist mit einem sterilen Tuch abgedeckt. Die getrübten Augenlinsen werden operativ entfernt und glasklare Kunststofflinsen eingesetzt. Alles geht gut.
Am frühen Morgen des nächsten Tages sind Chris Lohner und Gabriel Müller schon wieder bei Ines und Luisa am Krankenbett. Noch kleben dicke Augenverbände auf den Augen. Doch dann nimmt Dr. Abel die Augenbinden ab. Ines blinzelt benommen in die ihr so fremd gewordene Welt. Innerhalb von Sekunden bricht Ines in Tränen aus, lachend, die Menschen um sich betastend, Dr. Abel die Hände schüttelnd, Chris Lohner umarmend – die eng umschlungen mit Ines auch ihre Tränen nicht mehr halten kann. Tränen des Glücks, die alle Mühen des Ehrenamts seit 17 Jahren belohnen.
Gabriel Müller spricht noch Dr. Abel und den Krankenschwestern großen Dank aus, dann geht´s schon wieder zurück zum Dorf von Ines und Luisa, über Stock und Stein, 40 Kilometer nördlich. Eine große Menschenmenge hat sich versammelt, die erweiterte Familie, die Nachbarn, viele Kinder. Sie alle haben von dem prophezeiten Wunder gehört und wollen es mit eigenen Augen sehen. Ines strahlt übers ganze Gesicht, als sie aus dem Auto steigt. Umringt von all den Menschen erzählt sie mit leisen, aber eindringlichen Worten im lokalen Dialekt, was ihr in den letzten 24 Stunden widerfahren ist und wie es dazu kam, dass sie nun wieder sehen kann. Ihr Gesicht ist ausdrucksstark, ihre Hände kreisen in der Luft, als sie ihre Eindrücke schildert. Aber dann dreht sie sich noch einmal um, zu der weißen Dame mit den roten Haaren und dem Weiberner mit dünnem Bart. Etwas betrübt senkt sie den Blick und spricht: „Gestern war ich noch im Gefängnis, heute bin ich wieder ein Mensch. So gerne möchte ich Euch beschenken für all das, was Ihr mir und meiner Familie Gutes getan habt. Allein – ich habe nichts, was ich Euch schenken könnte. So werde ich um Gottes Segen für Euch beten!“ Chris Lohner und Gabriel Müller umarmen die alte Frau mit den neuen Augen ein letztes Mal, bevor sie wieder in den Geländewagen steigen. Denn die Hilfe darf nicht verweilen, sie muss weiter gehen.
Der Dank von Ines Iomo Joao gilt all jenen Unterstützerinnen und Unterstützern aus Oberösterreich, die diese Operationen am Grauen Star mit einer Spende von 30 Euro ermöglichen. Es wird Abend, als das Licht für die Welt-Auto aus dem Dorf Vintcint heimwärts fährt. Kinder rollen mit kleinen Stöcken große Reifen hinter den winkenden Fremden aus Österreich her, unbeirrt vom aufwirbelnden Staub der afrikanischen Lehmstraße, dessen Nebel Ines ein letztes Mal an ihre Blindheit erinnert. Doch Ines kann wieder sehen und die dankbaren Gesänge ihrer Familie begleiten uns noch bis zum Dorf hinaus.
www.licht-fuer-die-welt.at
(Fotos: Gregor Kuntscher)
Artikel aus der PetrA-Ausgabe April 2019