Josef Stockinger, MJ 1976
Viele Petriner haben nach ihrer Matura Karriere gemacht, bei weitem nicht nur im geistlichen Geschäft. Alt-Petriner finden sich an der Spitze von Spitalsabteilungen genauso wie in Schulen, Wirtschaftsbetrieben und natürlich auch in der Politik. Einer von Letztgenannten ist Josef Stockinger, MJ 1976. Er hat schon früh aufgezeigt, wurde ÖH-Vorsitzender in Linz und später bundesweit, kam als junger Jurist in das Büro seines großen Förderers Agrarlandesrat Leopold Hofinger, wurde selber Landesrat und ging 2020 als Generaldirektor der Oberösterreichischen Versicherung in Pension.
Schuld, dass Josef ins Petrinum kam, war letztendlich ein Großonkel. Dieser geistliche Herr hatte einst mit Regens und Direktor Johann Reitsamer die Schulbank gedrückt und die Familie meinte, dann würde das dem begabten Pepi auch nicht schaden. So übersiedelte er 1960 vom Aistersheimer Bauernhof seiner Eltern auf den Vierkanter des Bischofs. Ganz gut war ihm nicht dabei. Daheim wusste er seine Eltern und Geschwister bei der anstrengenden Feldarbeit, während er im Studiersaal sitzen oder über die endlosen Gänge sausen durfte. Außerdem hatte er zu der Zeit noch einen kleinen Bruder bekommen und es drückte ihn die Sorge, wie er zu dem eine halbwegs gute Beziehung aufbauen könnte, wenn er selber die meiste Zeit im Internat war. „Wir waren damals die letzte Generation, die das Petrinum noch so erlebt hat, wie man es von früher gekannt hat“, sagt Stockinger und er erinnert an die traditionelle Gangordnung, an das Stillschweigen und an die vielen Gottesdienstbesuche. Zugleich waren er und seine Kollegen die Zeugen des gewaltigen Umbruchs im Petrinum. „Vom starren Konzept ging es in die Zeit ohne Konzept und danach in die Phase der Einzelzimmer in den Neubauten“. Stockinger begriff die ganzen, durchaus auch turbulenten Jahre für sich selbst aber immer als Zeit der Chance. „Ohne Petrinum hätte ich wohl keine Matura gemacht, mein Lebensweg würde völlig anders aussehen“, sagt er in Erinnerung an große Lehrernamen wie Ludwig Rosensteiner, Josef Höglinger, Josef Honeder, Alois Füreder, Kurt Andlinger, Roswitha Reischl oder Johann Hager. Dem Petrinum verdankt Josef seinen „Künstlernamen“ Ferdl. Er bekam ihn verpasst, weil es in der Klasse mehrere Josefs gab und man Verwechslungen hintanhalten wollte. Ohne einen psychischen Knacks dadurch erhalten zu haben, trägt er den „Ferdl“ stolz im Namen und meldet sich damit wie selbstverständlich am Telefon. Auch auf seiner email-Adresse steht nicht Josef, sondern Ferdl. Drei seiner vier Kinder genossen so wie er Petrinum-Erfahrung. Schauspielertochter Marie-Luise und Juristensohn Xaver haben oben maturiert, Helene ging bis zum Wechsel an die Modeschule ins Petrinum. „Wir waren sehr zufrieden, das Lehrerpersonal ist hervorragend. Dass es kein Internat mehr gibt, ist absolut kein Fehler“. Stockinger hat von der Matura bis zu seiner Pension ein höchst politisches Leben geführt. Den ersten zündenden Funken hat ihm möglicherweise Geschichtsprofessor Josef Honeder verpasst, der meinte, er zeige politisches Geschick. Die Zeit der Pension genießt Stockinger mit seiner Frau Rosemarie bei ausgedehnten Wanderungen. Von Linz aus bis Wilhering, an den Pleschingersee oder hinauf zur Mayrwiese am Pöstlingberg gehen ihre Routen, sie helfen ihm, seinem Lebensziel nahe zu kommen: „Mit niemandem mehr zerstritten sein müssen.“
Bert Brandstetter, MJ 1969
Artikel aus der PetrA-Ausgabe Juli 2021