Sonne, Strand und Meer verheißen die Reiseprospekte jenen, die ihren Sommerurlaub in Kreta zu verbringen gedenken. Wer dagegen in der Karwoche die griechische Insel ansteuert, wie das eine Gruppe von Altpetrinerinnen und Altpetrinern im April 2017 gemacht hat, wird auch eine ganz andere Seite kennenlernen können: Dass wir etwa von unserer ersten Station aus, dem Kloster Agia Triada auf der Halbinsel Akrotiri, schneebedeckte Berge sehen würden, war eine erste Überraschung. Der landschaftliche Reichtum dieser Insel eine zweite: von sattem Grün bis hin zu schroffen Felsabbrüchen und engen Bergstraßen, die unser Chauffeur bravourös gemeistert hat. Der Blick ins Landesinnere wurde zu einem Höhepunkt der Reise.
Heribert Derndorfer hatte ein facettenreiches Programm zusammengestellt, das den Naturschönheiten der Insel ebenso Raum gab wie den Ausgrabungen der minoischen Kultur, den orthodoxen Klöstern und den Wendepunkten der kretischen Landesgeschichte. Nachdenklichkeit löste nicht nur der Besuch des Soldatenfriedhofs Maleme aus, wo 1941 deutsche Luftlandetruppen in den Tod geschickt worden waren, sondern auch jener des Arkadi-Klosters, einem Symbol des kretisch-griechischen Freiheitskampfes. Dort hatten sich am 9. November 1866 nach erbitterter Gegenwehr 964 Kreterinnen und Kreter in einem Pulverdepot in die Luft gesprengt, um der angreifenden türkischen Übermacht nicht in die Hände zu fallen.
In der Tituskirche von Heraklion (Agios Titos) feierten wir einen Teil der orthodoxen Karfreitagsliturgie mit. Streckenweise ist sie mir fremd geblieben. Die Ikonen, die uns wie ein roter Faden von Ort zu Ort geleiteten, faszinierten mich dagegen umso mehr, vor allem jene im Kloster Gonia und jene, die im Museum Christlicher Kunst in der Kirche Agia Ekaterina ausgestellt sind. Höhepunkt des Besuchsprogramms war ein Gang durch das neu konzipierte archäologische Museum Heraklion mit dem Diskos von Phaistos.
Diese Kreta-Reise war nicht zuletzt aufgrund der Reisegruppe etwas Besonderes: Die gemeinsame Schulerfahrung scheint nicht nur ein gemeinsames Interesse gefördert zu haben, sondern auch einen besonderen Gruppenzusammenhalt. Viele von denen, die jetzt gemeinsam einen Teil Griechenlands erkundeten, waren ein Jahr zuvor auch schon in der Lombardei mit dabei gewesen.
Eine kurze Schrecksekunde bei der Landung in Schwechat gab der bestens organisierten und rundum gelungenen Reise schließlich noch den Anstrich eines kleinen Abenteuers.
Franz Asanger, MJ 1977
Artikel aus der PetrA-Ausgabe November 2017