
In meiner Petriner-Zeit (1960 bis 68) war der Dom „weit weg“.
Am 1. Mai 1962 haben wir Petriner den Festgottesdienst anlässlich „100 JAHRE Grundsteinlegung“ ganz hinten – auf der Empore, wo jetzt die Rudigier-Orgel steht – mitgefeiert. Am 29. Juni 1964 war ich dabei, als Johann Bachmair (er war „Hilfspräfekt“, als ich in der 2. und 3. Klasse war) zum Priester geweiht wurde. Der Dom war für mich lange „übergroß, finster, fast unheimlich“, zudem der Ort einer „abgehobenen Bischofsliturgie“.
Näher gekommen ist mir der Dom, als ich ab 1987 – ich war Lehrer an der Pädagogischen Akademie – den Kontakt zu Dompfarrer Johann Bergsmann, den ich noch vom Petrinum her kannte, aufgenommen habe, regelmäßig Wochentags-Gottesdienste im Dom gefeiert habe, gelegentlich bei ihm im Pfarrhof war und auch so manche Tarockpartie mit ihm spielte.
Nach dem allzu frühen Tod von Pfarrer Bergsmann wurde mir 1998 von Bischof Maximilian Aichern die Leitung der Dompfarre übertragen. Seither ist mir der Dom – so könnte ich sagen – ans Herz gewachsen. Ich habe den „neugotischen Charme“ des Doms entdeckt, die Botschaft der Architektur, die mich aufrichtet, nach oben und nach vorne schauen lässt und mich dann auffordert, nach vorne zu gehen. Ich habe die Botschaft der großen Gemäldefenster wahrgenommen. Wenn ich den Dom beim Turm betrete, sehe ich beim Gang nach vorne Bilder aus meiner Heimat Oberösterreich und von Orten, die Wallfahrtsziele von Oberösterreichern sind (z.B. Mariazell, Maria Plain bei Salzburg, Altötting, Jerusalem). Ich erblicke in den Fenstern Dokumente der vom christlichen Glauben geprägten Geschichte meiner Heimat. Manchmal kommt mir der (sehr profane) Gedanke, es ließe sich an Hand der Domfenster ganz gut „Heimatkunde“ unterrichten.
Im rechten Querschiff befindet sich auch das Petrinum-Fenster. Offiziell heißt es „Knabenseminar-Fenster“. Über dem Petrinum ist das Aloisianum am Freinberg abgebildet. Das Konzil von Trient (1545 – 63) hatte die Bischöfe verpflichtet, ein „Knabenseminar“ – als Vorstufe und Vorbereitung zum Priesterseminar – einzurichten. Bevor Bischof Doppelbauer das Petrinum bauen ließ, war „der Freinberg“ (wie wir als Petriner der 60er Jahre sagten) das Vorgänger-Institut. Im Fenster sind beide „Knabenseminare“ dargestellt, aber auch das viel früher von den Jesuiten in der Domgasse gegründete „Gymnasium“ (in dem sich heute die Volkskreditbank befindet).
Das „Petrinum-Fenster“ stellt nicht nur Gebäude dar, sondern ruft auch zwei biblische Petrus-Erzählungen in Erinnerung: die eine Szene erzählt von der Erscheinung des Auferstandenen vor sieben Jüngern am See Tiberias und der Betrauung des Petrus mit der Leitung der Kirche, die andere Szene drückt dasselbe mit dem Bild der „Schlüsselübergabe“ an Petrus aus.
Seit 1968, dem Jahr meiner Matura, hat sich viel verändert. Das Petrinum ist nicht mehr „Knabenseminar“, es ist ein Privatgymnasium in kirchlicher Trägerschaft. Es ermöglicht jungen Menschen eine gediegene gymnasiale Ausbildung und zugleich eine Auseinandersetzung mit Grundfragen des Lebens und deren Beantwortung aus dem Glauben an Jesus Christus.
Maximilian Strasser, MJ 1968
Dompfarrer von 1998 bis 2024
Artikel aus der PetrA-Ausgabe November 2025
