Liebe Mitglieder, liebe Leserinnen und Leser!
Ich darf euch wieder herzlich begrüßen und zur Lektüre unserer Frühlingsausgabe einladen. Wir waren trotz der rauen und eisigen Wintertage nicht untätig und konnten alle angekündigten Veranstaltungen termingemäß durchführen. Dazu findet ihr unter anderen auch Berichte und Fotos im Inneren der Zeitschrift. Wer in der Osterwoche an der Kunst- und Kulturreise nach Kreta teilnimmt, erhält auf gesondertem Weg seine Informationen.
Den Besuch unseres Bischofs Manfred bei der Generalversammlung und seine Gestaltung der anschließenden Adventfeier sowie den Tod von Prälat Hofrat Humer möchte ich hier im Vorwort zumindest erwähnen. In gesonderten Beiträgen findet ihr dazu weitere Informationen.
Der Übersetzungsabend zum Thema „Quid est homo?“ (27. Jänner) zwang uns Teilnehmer, ein paar grundsätzliche Fragen an uns selbst und an die Texte zu stellen. Die Lektüre der Originaltexte, wackere Übersetzungsversuche, angeregtes Fragen und Diskutieren kennzeichneten den ersten (und ernsten) Abschnitt dieses Abends. Aus diesem Anlass, aber auch angesichts besonderer Zeitumstände lohnt es sich vielleicht, aus den zahlreichen Impulstexten nochmals drei Antwortversuche, die durch die Jahrtausende bis ins 21. Jahrhundert immer wieder aufgegriffen wurden, als kleine Denkübung in Erinnerung zu rufen. Gestattet mir also ausnahmsweise ein Vorwort mit einem Ausflug in die philosophische Anthropologie:
Der Mensch ist nach Aristoteles zuallererst und zwar von Natur aus, also nicht etwa durch Konventionen oder Verträge ein auf Gemeinschaft hin angelegtes Lebewesen (ὁ ἄνθρωπος φύσει πολιτικὸν ζῷον)1. Respekt voreinander, Rechtsempfinden und wechselseitige Zuneigung sind uns als (Definitions)merkmal vorgegeben, dass wir aber diese Eigenschaften eben nur der Anlage nach besitzen und wir sie erst durch ständiges Bemühen (etwa im Prozess der Bildung und auch eigenen Formung) aktivieren und verwirklichen müssen, erfahren wir ja allzu oft (und nicht selten schmerzhaft) im sozialen Mikro- und Makrokosmos. Diese Spannung zwischen dem, was uns als Anspruch vorgegeben ist und dem, was wir dann tatsächlich zu sein vermögen, drückt die lateinische Version des griechischen Originals aus: Die bekannte Formulierung (πολιτικὸν ζῷον) wird dort mit animal sociale2 bzw. animal sociabile wiedergegeben.
Eine nicht weniger oft zitierte Charakterisierung lautet, der Mensch sei ein ζῷον λόγον ἔχον3, der Mensch allein besitze also den λόγος4. Die philosophische Tradition macht daraus ein animal rationale bzw. rationabile. Dass auch in diesem letzteren Fall zwischen dem uns innewohnenden Vernunftspotential und der angewandten und womöglich verwirklichten Vernunft eine riesige Kluft bestehen kann, wissen und erleben wir. Ein Blick ins eigene ICH oder besser noch in die täglich ausgestrahlten Nachrichtensendungen möge als Beweis genügen.
Ein letzter Impuls: Dass wir zu den Affen (πίθηκοι) in einem besonderen Verhältnis stehen, wusste bereits Heraklit, mittlerweile rückte uns die moderne Naturwissenschaft, was etwa die gemeinsamen Gene betrifft, in allernächste Nähe zu den Tieren5. Dass es für den Menschen auch ein anderes (Nah)verhältnis gebe, glaubte nicht nur Heraklit6 zu wissen, sondern gilt in der Formulierung Homo imago Dei als uralter und fester Bestandteil der jüdisch-christlichen und somit auch europäischen Anthropologie.
Diese drei (in dieser knappen Form nur bruchstückhaft auslotbaren) Impulse reichen wir Teilnehmer der Übersetzungsrunde den Lesern der Petra zum Weiterkauen und Meditieren7 weiter. Unsere Zeit bedarf solcher Orientierungs- und Korrekturhilfen dringender denn je.
Zum Abschluss darf ich noch dankbar auf die Artikel von Dr. Alfred Grof und Dr. Josef Honeder – beide sind Mitglieder der Petra – hinweisen und euch alle (bitte mit Voranmeldung) zum Maturasamstag 2017 am 20. Mai herzlich einladen.
Heribert Derndorfer, MJ 1971
Obmann
1 Aristoteles, Pol. 1253a.3 ↩
2 socialis –e = gesellig, verträglich, freundschaftlich, hingegen: sociabilis –e = befähigt zur Geselligkeit usw. ↩
3 ἔχον = habend, besitzend (ein Partizip im Neutrum, zu ζῷον gehörig), nach Platon und Aristoteles (Pol. 1253a 9: λόγον δὲ μόνον ἄνθρωπος ἔχει τῶν ζῴων = den Logos besitzt unter allen Lebewesen nur der Mensch). ↩
4 Abgeleitet von λέγω = sprechen, also Wort, Sprache, Argument, Vernunft, Rechenschaft etc. ↩
5 Die Gleichheit der Genome (in Prozentzahlen) liegt z.B. zwischen Gorillas und Menschen im sehr hohen bis höchsten zweistelligen Bereich. ↩
6 Von ihm stammt die Formulierung der sogenannten mittleren Proportionale: πίθηκος : ἄνθρωπος: θεός ↩
7 Vielleicht kann dazu als kleiner Anstoß das Wort „Werde, der du bist!“ dienen. Es stammt vom griechischen Lyriker Pindar. ↩
Artikel aus der PetrA-Ausgabe April 2017