Es war eine berührende Feierstunde in der ehemaligen KZ-Gedenkstätte in Dachau bei München, zu der am 13. März 2018 viele Angehörige ehemaliger Opfer aus Oberösterreich gekommen waren. Besonders bewegend der Moment, als im Beisein von Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer und Alt-Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer Namen von inhaftierten Landsleuten verlesen und projiziert wurden. Einer der Namen galt auch einem ehemaligen Petriner Studenten und späteren Professor: OSTR Dr. Carl Schellmann. Carls (von uns Schülern gesprochen mit C) Besonderheit war sein extrem gekrümmter Gang. Woher dieser rührte wussten wir damals nicht, geahnt haben wir freilich wohl, dass es sich um Folgen von Misshandlungen aus der NS-Zeit handeln musste. Dass er aber sogar KZ-Insasse war, blieb vor uns damaligen Schülern unerwähnt.
Als 45-jähriger Benefiziat von Neukirchen am Walde hatte sich Schellmann, der zuvor in Graz Naturgeschichte und Chemie studiert hatte, schuldig gemacht, Auslandssender abgehört zu haben. Der frühere Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck erinnert sich als Nachbar Schellmanns gut daran: „Der Geistli Herr, wie wir unseren Benefiziat Schellmann nannten, hat sich in unserem elterlichen Wirtshaus mit anderen über das Abhören von Sendern ausgetauscht. Irgendjemand muss ihn und die anderen dafür angezeigt haben“. Die Strafe für eine derartige „Missetat“: 3 Jahre Zuchthaus, die Schellmann großteils in dem als extrem streng gefürchteten Straflager Bernau am Chiemsee abzubüßen hatte. Eingesetzt war Schellmann im Gartenbetrieb. Die Ernährung bestand zu Mittag aus fünf Kartoffeln und einem Stück Brot, ein Jahr später war Schellmann deshalb mit seinen Kräften am Ende, mit fünf weiteren Häftlingen wurde er in den Außenbetrieb einer kleinen Gärtnerei verlegt, ab Sommer 1944 hatte er in einer Gastwirtschaft u.a. als Abwäscher zu arbeiten. Im Herbst 1944 kam er nach Bernau zurück, wo er bis zur Befreiung durch die Amerikaner 1945 der Bekleidungskammer dienstzugeteilt war. Schellmann kehrte nach Neukirchen am Walde zurück, LH Josef Ratzenböck erinnert sich, dass man den bis zum Skelett abgemagerten Schellmann kaum wiedererkannt hätte. Ab 1947 war er bis zu seiner Pensionierung Erzieher und Professor für Chemie/Naturgeschichte am Petrinum, wo er einst auch maturiert hatte. Woher die auffällige Behinderung Schellmanns kam, der bis zu seinem Tod fast im rechten Winkel ging, ist nicht bekannt. Jägerstätter-Biographin Dr. Erna Putz schließt nicht aus, dass es bereits bei den Verhören in Wels zu massiven Misshandlungen gekommen ist. LH Ratzenböck weiß aber, dass Schellmann nach der Rückkehr aus dem KZ noch nicht gekrümmt gewesen sei. Auf seinem Totenbild wird allerdings auf die „lebenslange, leidvolle, gesundheitliche Schädigung“ verwiesen, die Dr. Schellmann von seiner Inhaftierung davongetragen hat. Gesprochen hat er über die schlimmsten Jahre seines Lebens auch mit engen Freunden nicht oder nur kaum, geblieben ist ihm eine innere Verbitterung über die schlimmen Erfahrungen. 1971 ging Dr. Schellmann am Petrinum in Pension, 12 Jahre später starb er 85-jährig.
Bert Brandstetter, MJ 1969
Artikel aus der PetrA-Ausgabe November 2018