Als Bischof Franz Maria Doppelbauer 1889 [1] die Leitung der Diözese übernahm, war der Priestermangel sehr drückend. Über 80 Seelsorgsstellen waren unbesetzt. Daher entschloss er sich, ein großes, diözesaneigenes Knabenseminar zu errichten.
Im November 1893 gab er seinen Entschluss der Öffentlichkeit bekannt: Dieses Knabenseminar soll mit einem Privatgymnasium mit Öffentlichkeits- und Reifeprüfungsrecht verbunden sein.
Im Mai 1984 wurde der Leisenhof samt Gründen, Vieh und Gerätschaften um 150.000 Kronen erworben. Verbunden mit diesem Hof war das benachbarte Holzingergütl. Der erworbene Grund umfasste 60 Joch und lag auf einer kleinen Anhöhe in unmittelbarer Stadtnähe. Da sich auf dem erworbenen Grund zu wenig Wasserquellen fanden, wurde im Juni 1894 das benachbarte Ambergergut am Ostabhang des Pöstlingberges mit dem Maximilianturm Nr. 20 hinzugekauft. Damit standen zur Errichtung des Knabenseminares mehr als 100 Joch Bau- und Wirtschaftsgrund zur Verfügung.
Am Nachmittag des 29. Juli 1895 nahm der Bischof unter Beisein vieler Priester und Zuschauer den Spatenstich [2] vor. Zu diesem Anlass war an der Baustelle ein großes Holzkreuz errichtet worden, welches sich jetzt auf dem Gang vor der Volkskapelle befindet.
Bereits im ersten Baujahr konnte die Fußbodenhöhe des Erdgeschoßes erreicht werden. Die Bauziegel lieferte eine eigene Ziegelei.
Am 30. Mai 1896 gab der Bischof Klerus und Volk den Namen bekannt: Das neue Knabenseminar soll „Kollegium Petrinum“ heißen. Damit wurde die enge Verbundenheit mit dem Oberhaupt der Kirche bekundet.
Unterdessen war der Bau zügig vorangeschritten, sodass am 2. Juli 1896 die Grundsteinlegung [3] erfolgen konnte. Der Grundstein stammt, wie der des Maria-Empfängnis-Domes, vom Ölbergfelsen in Jerusalem und wurde an der Gangmauer vor dem Festsaal eingemauert. Der Stein trägt die Inschrift „Petra ex Gethsemani“ mit dem fünffachen Kreuz von Jerusalem. Diese Grundsteinlegung wurde sehr festlich gestaltet.
Mit Ende des Jahres 1896 war der gesamte Rohbau unter Dach. An Stelle des ursprünglich vorgesehenen Renaissanceturmes [4] wurde auf Vorschlag von Professor Hermann Bauernberger dem Turm eine Halbkugel aufgesetzt. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, die Kuppel für astronomische Beobachtungen verwenden zu können.
Dieses in so kurzer Zeit aufgeführte Gebäude hat eine Länge von 95,90 und eine Breite von 80 Metern und ragt mit seinen drei Stockwerken an der Südseite 18 und an der Nordseite 22,50 Meter in die Höhe. Die Fensterzahl beträgt 957.
Die Baukosten allein betrugen 1.269.252 Kronen. Werden die Kosten für Baugründe und Einrichtungsgegenstände hinzugerechnet, belief sich die Endsumme auf 2.265.200 Kronen.
Mit diesem Werk war es Bischof Doppelbauer gelungen, das erwachte Selbstbewusstsein des gläubigen Volkes nach der Zeit des kulturkämpferischen Liberalismus machtvoll zum Ausdruck zu bringen. Bischof, Klerus und Volk wuchsen zu einer Einheit zusammen. Von großer Bedeutung war, dass man bei der Errichtung des Petrinums sich nicht mit einem Provisorium abfand, sondern großzügig dachte. Die Heranbildung des künftigen Klerus sollte nicht in Ghettoenge, sondern im Bewusstsein geistiger Gleichberechtigung erfolgen.
Im letzten Baujahr 1897 wurde der ganze Bau außen und innen unter Verputz gelegt und mit der Inneneinrichtung ausgestattet.
Am 30. September 1897, dem Sterbetag der kleinen Heiligen Theresia vom Kinde Jesu, bezogen die Studenten das neu erbaute Haus.
Nach dem Heiligen-Geist-Amt, das der Bischof persönlich hielt, begann am 2. Oktober der Unterricht für 304 Schüler. [5]
Das geistig-religiöse Grundkonzept war von allem Anfang an klar: Es sollte das Bischöfliche Knabenseminar nach den Bestimmungen des Konzils von Trient sein, verbunden mit einem Privatgymnasium mit Öffentlichkeitsrecht.
Der Höhepunkt während des ersten Schuljahres war die feierliche Einweihung des Hauses am 2. und 3. Mai 1898. Bei dieser Feier waren zwei Kardinäle, drei Bischöfe und die Äbte der Klöster Oberösterreichs anwesend. Dazu kam viel weltliche Prominenz. Eine Gedenktafel in der Vorhalle des Hauses erinnert an dieses Ereignis.
Bischof Franz Maria Doppelbauer erfüllte das rasche Aufblühen der Anstalt mit Freude. Voller Stolz zeigte er hochgestellten Persönlichkeiten das gelungene Werk. Als besondere Ehre und Auszeichnung empfand er die Besuche der Kaisertochter Erzherzogin Marie Valerie mit Gemahl Erzherzog Franz Salvator und des Kaisers Franz Joseph I. am 9. Juni 1903 [6]. An beide Besuche erinnern Gedenktafeln im Vestibül.
Nach der ersten Matura schied der erste Direktor P. Lambert Guppenberger [7] aus dem Amt. Ihm folgte als neuer Direktor Dr. Johann Zöchbaur [8].
Während seines nunmehr 120-jährigen Bestandes erlebte das Petrinum nicht nur frohe Tage. Von 1914 bis 1918 diente das Haus als Militär- und Reservespital für verwundete Soldaten. Die Studenten mussten nach Gleink und Schlierbach ausweichen. Aus dieser Zeit stammt die Anlage des Kriegerfriedhofes [9] zu Beginn des Kreuzweges für die im Militärspital verstorbenen Soldaten.
Nach Kriegsende war die Rückkehr der Studenten ins Petrinum lange höchst zweifelhaft. Das Haus sollte dem eigentlichen Zweck entzogen und zu Mietwohnungen umgestaltet werden. Erst im Herbst 1920 wurde das Haus freigegeben und der Weg zur Rückkehr war frei.
Angstvolle Tage erlebten die Studenten im Bürgerkriegsjahr 1934. Vom 12. bis 14. Februar war das Haus von Schutzbundtruppen belagert und von der Außenwelt völlig isoliert.
Das Aus des Petrinums schien 1938 besiegelt. Schule und Internat wurden verboten. Im Gebäude und auf dem Gelände des Petrinums sollte auf ausdrücklichen Wunsch des Führers Adolf Hitler eine Technische Hochschule [10] errichtet werden. Da der Bischof zum Verkauf nicht bereit war, wurde die Enteignung ausgesprochen.
Erst im Oktober 1946 konnten die Studenten in das von den sowjetischen Besatzungstruppen arg verwüstete Haus zurückkehren.
Bischof Franziscus Salesius Zauner hielt auch nach dem Konzil an der Idee eines Bischöflichen Knabenseminares fest. In finanzieller Hinsicht erwies er sich als sehr großzügig: Die Studentenkapelle wurde umgebaut und im Osten entstanden neue Internatsgebäude [11]. Die Schule durften aber nur Internatsschüler besuchen.
Erst 1983 trat eine Wende ein: Bischof Maximilian Aichern gestattete die Aufnahme auch externer Schüler. Zehn Jahre später öffneten sich auch für die Mädchen die Tore des Petrinums.
Das ständige Sinken der Zahl der Internatsschüler führte im Sommer 1999 zur Schließung des Internats. Ein grundlegender Wandel war damit die Folge: Aus dem Kollegium Petrinum war das Bischöfliche Gymnasium Petrinum geworden.
HR Dr. Josef Honeder
Artikel aus der PetrA-Ausgabe April 2017